Part 1: Wie soll mein Musikvideo aussehen?
Wir lagen uns seit unserer Gründung letztes Jahr eigentlich permanent in den Ohren, dass wir jetzt endlich mal ein Video brauchen, wo man uns sieht, während wir unsere Instrumente spielen. Ein sogenanntes Performance Musikvideo ist die absolute Baseline unter den Musikvideos und wird niemals wirklich out sein. Dennoch kann man grade hier viele Fehler machen und auch wir haben uns dieser in der Vergangenheit sicherlich schuldig gemacht. Zum Verständnis ist es vielleicht einmal wichtig zu erwähnen, dass wir in dieser Besetzung schon seit 2014 Musik machen, bis vor einem Jahr ca. unter dem Namen This Is Not Utopia. Um einfach niemandem auf die Füße zu treten, beziehe ich mich deshalb im Artikel auf unsere alten Videos, zumindest wenn es um Fehler geht. Danach geht’s weiter mit einem groben Ablaufplan dazu, was man einplanen muss, wenn man selbst ein Video drehen möchte.
I. Vermeide Klischees
Wie viele Videos von Rockbands in Industriehallen gibt es auf dieser Welt? Es sind auf jeden Fall zu viele. Die Industriehalle ist aber kein Ausschlussfaktor für eine Location per se, es kommt eher darauf an, wie ihr sie nutzt. Wenn man einfach offen zeigt, dass man in einer alten Halle steht und das ist alles, hat man wenig Chancen aus der Masse herauszustechen. Die Halle kann aber auch dafür genutzt werden, die eigenen Ideen umzusetzen. Die Wände kann man abhängen mit Tüchern, mit direktem Licht und viel Schatten kann man aus der alten Industriehalle richtig was rausholen.
Auch wir haben in tiefster Vergangenheit gedacht, es wäre super cool in einer Industriehalle abzurocken.
Wir haben dieses Video, sowie viele andere in dieser Liste, mit dem Videograph Daniel Prieß gedreht. Er hat uns alles gezeigt, was wir lernen mussten. Daniel und wir haben uns praktisch parallel zueinander weiterentwickelt, auch wenn Daniel in seiner Profession natürlich immer einen großen Vorsprung hatte. Deshalb haben wir ja auch mit ihm zusammengearbeitet.
Das Video zu Black Hearts ist fünf Jahre alt, neuere Videos mit Daniel Prieß, die man weiter unten in der Liste findet, zeigen, wie hoch sein Produktionslevel mittlerweile ist. Wenn Du einen Garant für ein richtig gutes Video haben willst, würde ich immer wieder mit ihm zusammenarbeiten. Hier seine Website inkl. Kontakt:
Im Übrigen beziehe ich mich bei der Kritik an unseren Videos nicht auf den Produktionswert, sondern auf die Ideen dahinter. Die konzeptionellen Ideen für diese Videos kamen von uns, Daniel hat uns ermöglicht diese Ideen professionell umzusetzen.
II. Braucht ihr wirklich Story-Sequenzen?
Story-Szenen in Performance Videos sind wirklich anspruchsvoll in der Umsetzung. Kurze Zwischenschnitte, in denen jemand durch einen Wald läuft oder verwackelte Bilder, die die Beziehung zwischen zwei Menschen darstellen sollen, gab es einfach schon sehr oft. Wenn man nicht aufpasst, wirkt das Ganze schnell pathetisch. Das untenstehende Video von unserer alten Band ist immer noch solide, wenn es negatives Feedback gab, dann hauptsächlich zu den Story-Szenen. Natürlich sieht man seine eigenen Projekte auch tendenziell schnell kritisch, aber gute Story-Shots sind echt nicht so einfach. Überlegt euch einfach, ob das Video auch ohne gut funktionieren würde. Oft reichen schon visuelle Details, um ein Video einzigartig zu machen.
Das heißt übrigens nicht, dass sich Story-Szenen und Performance im gleichen Video grundsätzlich ausschließen. Es gibt schöne Videos, in denen beides ineinander überfließt und es funktioniert super!
Hier ein gutes Beispiel:
Erst spielt das Video draußen und die Band performt entsprechend unter freiem Himmel. Danach
geht die Story in einem engen, dunklen Setting weiter, was sich auch in der Performance widerspiegelt.
III. Arbeite mit Effekten
Probier Dich aus mit visuellen Effekten. „Ich stehe hier und spiele mein Instrument“ kann schnell langweilig werden. Du musst wirklich kein Profi dafür sein, visuelle Abwechslung in deinem Video zu schaffen. Werde auf jeden Fall kreativ beim Filmen. Nicht nur einfach draufhalten, bewege Dich mit der Kamera und guck, was gut aussieht. Das schlimmste was passieren kann, sind statische Bilder im Video. Das wirkt in der Regel langweilig und undynamisch. Unser Lieblingstrick ist irgendwelche Sachen vor die Linse halten. Glasscherben funktionieren super. Es gibt auch Prismen für wenig Geld auf Amazon, die super funktionieren. Wenn Du es ausreizen willst, guck mal nach „Trick lenses“. Dazu klebst Du rote Plastikfolie auf Deine Lampe und schon hast Du interessantes Licht. Generell, guck auch immer nach „DIY Photography Tricks“ und solchem Kram, da kommt die Inspiration fürs nächste Video ganz von allein.
Zugegeben, in dem Video hatten wir professionelle Strahler, die geben einfach noch viel intensiveres Licht ab. Aber es geht auch super in DIY und günstig!
Wenn ihr diese Aspekte berücksichtigt, ist schonmal viel gewonnen! Klar ist das alles reine Geschmacksache. Aber ein Video produzieren, dass dir in 3 Jahren noch gefällt, ist wirklich gar nicht so einfach. Und wenn Du auf cheesy Kram verzichtest und es interessant machst, sind das die besten Voraussetzungen nach unserer Erfahrung. Diese Abwägungen sind wirklich wichtig, denn man muss sich ziemlich genau im Klaren sein, was man will, bevor man loslegt.
Part 2: Wie dreht man ein Video?
Ihr braucht: Location, Kamera, Licht und einen Computer mit Schnittprogramm. Und alles an Requisiten, die ihr für das Video einplant.
I. Skripten
Wie oben angedeutet ist gute Planung die halbe Miete. Schreib dir genau auf, welche Szenen Du aufnehmen möchtest und was für Materialien Du dafür brauchst. Mach Dir auf jeden Fall Screenshots von Referenzen, die in deine Richtung gehen! So bekommen alle eine Vorstellung, wie das Ganze nachher aussehen soll. Unserer Erfahrung nach ist es immer sinnvoll, alles ins Auto zu packen, was irgendwie nützlich sein könnte fürs Video. Alter Röhrenfernseher? Könnte cool sein für ein „Störbild-Effekt“. Alte Lampe von Oma? Kann man mit ins Set stellen, kommt bestimmt cool! Generell gilt: Umso besser die Planung im voraus, desto weniger lange Gesichter gibt es wenn das Video fertig ist.
II. Location klären
Es ist immer gut, wenn ihr einen großen Raum habt, in dem man Lärm machen kann. Fragt einfach im Bekanntenkreis. Hauptsache ihr habt Strom und dürft ungestört an dem Video arbeiten.
Gerade Nachts, damit ihr das Licht selbst regulieren könnt. Der Ort muss nicht besonders aufregend aussehen, in unserem Video zu „Apex Predator“ (Link weiter oben) haben wir auch in einer kleinen, einfachen Halle gedreht, sie aber gar nicht ordentlich gezeigt. Solange Du nah dran an den Protagonisten bist mit der Kamera, ist das Aussehen der Location gar nicht so wichtig. Nimm zum Beispiel unser letztes Video, wir haben einfach eine Turnhalle irgendwo im Nirgendwo benutzt und einen schicken Hintergrund mitgebracht. Wir haben die Location nicht ein einziges Mal gezeigt im Video. Solange wir die ganze Nacht an dem Video arbeiten konnten und uns keine Sorgen machen mussten, dass es zu laut ist, ist es perfekt zum Filmen.
III. Kamera
Die Qualität Deines Videos wird stark durch die Qualität Deiner Kamera beeinflusst. Auch wenn man mittlerweile sogar mit guten Smartphones Musikvideos drehen kann, hast Du doch viel mehr Freiheiten und Tiefe in deinem Bild, wenn Du mit einer richtigen DSLR drehst. Also eine Kamera, die wirklich nur eine Kamera ist. Mit austauschbaren Objektiven und so. Du wirst merken, dass die Plastizität und das Detailreichtum einer richtigen Videokamera um einiges höher ist. Ich wette, dass zumindest einer in Deinem Umkreis so ein Teil rumfliegen hat. Wir drehen oft mit einer Sony alpha 7 II. Brauchbare Kameras gehen aber meiner Erfahrung nach schon bei 400€ los. Eine Kamera ist sowieso immer ein gutes Investment für die Band!
IV. Licht
Eigene Strahler mitbringen ist absolut notwendig. Die Lichtverhältnisse in der Location sind nicht darauf ausgelegt, ein Video damit zu drehen, davon kannst Du ausgehen. LED Strahler für den Videobereich gibt es schon unter 100€ in ausreichender Qualität. Sucht einfach nach „led camera panel“ oder ähnliches. Besorgt euch direkt zwei Stück, mit einem allein wird’s schnell schwierig. Auf diesen Lichtern könnt ihr problemlos bunte Folien anbringen oder zum Beispiel einzelne Bereiche mit Pappe abkleben um Kanten in der Ausleuchtung zu erzeugen. Auch hier ist Kreativität gefragt.
V. Schneiden
Gute Computer sind teuer und professionelle Schnittsoftware auch – denkt man zumindest am Anfang! Wie ich merken musste, lag ich damit komplett falsch. Besorg dir einfach DaVinci Resolve – ein komplettes Profi-Schnittprogramm für umsonst. Kein Abo, gar nichts. Als Computer funktioniert aller Wahrscheinlichkeit nach erstmal dein alter Rechner oder der Deiner Bandkollegen. Da- Vinci hat wie alle guten Schnittprogramme einen Proxy-Modus, bei dem Du die Bildqualität während des Schneidens auf die Leistung deines Computers anpassen kannst. Damit solltest auch auf alten Computern flüssig schneiden können. Es gibt Videos auf Youtube z.B. nur darüber, wie Du DaVinci Resolve einstellst, um es optimal auf alten Computern zum laufen zu bringen. Der Rest ist einfach Erfahrungen sammeln. Aus jedem Dreh lernt man wertvolle Dinge, die einem fürs nächste Video helfen. Seit der Gründung von Glassback haben wir jedes Video komplett selbst gedreht. Je länger das geht, desto mehr Ideen haben wir. Gute Videoideen sind oft einfach, haben wir auf jeden fall gemerkt. Wir hoffen, Du konntest einiges mitnehmen und musst so nicht alle Fehler selbst machen, die wir schon gemacht haben. 🙂